Hausärzte sind in der Börde und somit auch in Wolmirstedt dringend gefragt, viele Praxen sind überlaufen. Im Herbst startet eine neue Medizinerin und daran hat die AWG großen Anteil.
Neue Ärztin – neue Praxis
Juliane Drewes wird eine Hausarztpraxis in der Farsleber Straße 21 eröffnen. AWG-Chef Steffen Mairose und sein Team unterstützen dabei.
WOLMIRSTEDT.
Dort, wo zuletzt das Café Herzstück Kuchen angeboten hat, baut die AWG um, damit im Oktober eine Hausarztpraxis eröffnen kann. Allgemeinmedizinerin Juliane Drewes bringt dafür viel Wissen und eine besondere Geschichte mit. Juliane Drewes ist 50 Jahre alt und einen harten und ungewöhnlichen Weg gegangen: Das Medizinstudium hat sie 2012 begonnen, als 38-Jährige, in einem Alter, in dem Lernen nicht mehr selbstverständlich ist und es kein Bafög mehr gibt. Das hat die Loitscherin jedoch nicht abgeschreckt, sie arbeitete weiter, besetzte eine halbe Stelle als Intensivschwester.
Warum noch einmal so viel Kraft aufbringen, warum nahm sie ein so lernintensives Studium samt Teilzeitjob auf sich? Ärztin zu sein, das war schon immer Juliane Drewes’ Traum. Die Umwege waren dem Erwachsenwerden in der Wendezeit geschuldet. Der Weg zum Abitur war ihr in der DDR verwehrt, sie lernte Krankenschwester, bildete sich zur Intensivkrankenschwester fort, bewarb sich Jahre später fürs Medizinstudium, auf der Grundlage der Ausbildung zur Fachkrankenschwester. Sie wurde angenommen, in Ulm.
Doch die Stadt erschien ihr zu weit weg von zu Hause, die Finanzierung des Studiums schwierig, weil monatlich auch eine Miete fällig wäre. Sie sagte ab. Doch der Traum blieb, also bewarb sie sich erneut, diesmal in Magdeburg. Sie bekam den Studienplatz und als sie 2019 den Abschluss in der Tasche hatte, war sie 45 Jahre alt, glücklich und wurde Ärztin in der Kardiologie.
Wunsch nach eigener Praxis
Juliane Drewes mochte die Arbeit in der Klinik, aber noch mehr reizte sie die Arbeit in einer eigenen Praxis. Also wechselte sie in die Niederlassungen, sammelte nach einem Rotationsprinzip Erfahrungen in Arztpraxen in Wolmirstedt, Magdeburg und Burg. „Ich muss ein Loblied auf die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer singen“, sagt sie, „ich wurde toll unterstützt.“
Für den Standort der eigenen Praxis war klar: Wolmirstedt sollte es sein, da war sich Juliane Drewes seit 2022 sicher. Die kleine Stadt mit den guten Anbindungen für Auto, Bus und Bahn erschien ihr als der ideale Ort, eine Arztpraxis zu eröffnen.
Die Loitscherin weiß, wie viele Menschen aus dem Umland darauf angewiesen sind, Ärzte und Ämter gut zu erreichen. Doch es war nicht leicht, passende Räume zu finden. Im Wolmirstedter Rathaus zumindest konnte ihr niemand helfen. Erst der Kontakt mit der Allgemeinen Wohnungsgenossenschaft (AWG) brachte die Sache ins Rollen.
Der AWG gehört das Haus Farsleber Straße 21, das unter dem Titel „AWG Wohnen Plus“ gebaut wurde. Im Erdgeschoss residierte zuletzt das Café Herzstück. „Was mich wirklich angesprochen hat, ist diese Rundung an der Fassade.“ Juliane Drewes lacht. Sie spürte: Das könnte ihre perfekte Praxis werden.
Bei der AWG lief sie mit ihrem Wunsch offene Türen ein. Geschäftsführer Steffen Mairose begründet: „Wir wollten eine langfristige Mieterbindung und mit dieser Arztpraxis haben wir ein gutes Gefühl.“ So gut, dass die AWG 150.000 bis 200.000 Euro in den Umbau zur Arztpraxis investiert. Steffen Mairose sieht das Geld gut angelegt. „In Wolmirstedt sollen die Menschen auch künftig gerne wohnen.“ Zur Lebensqualität einer Stadt trage eine ausreichende medizinische Versorgung erheblich bei.
Wolmirstedt braucht Ärzte
In Wolmirstedt ist da noch Luft nach oben. Aktuelle Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung zeigen: Im Magdeburger Umland, zu dem neben Wolmirstedt auch Barleben, Hohe Börde, Niedere Börde, Sülzetal und Wanzleben gehören, sind 41 Hausarztstellen besetzt, davon 8,5 in Wolmirstedt. Neun Stellen jedoch sind in dieser Region noch frei. Weiterhin fehlen Fachärzte. Im Landkreis Börde sind drei Hautarztstellen, je eineinhalb Kinder- und Nervenarztstellen sowie 6,5 Stellen für ärztliche Psychotherapie nicht besetzt.
Juliane Drewes fühlt sich bei der AWG in guten Händen. Mit AWG-Vorstand Volker Seidl gibt es einen Architekten, der schon mehrere Arztpraxen geplant hat und sich auch dieses Projektes angenommen hat. Vier Behandlungszimmer, zwei Warteräume, ein Labor und ein Aufenthaltsraum für die Schwestern werden eingerichtet. „Es wird eine sehr moderne Praxis“, sagt Steffen Mairose.
Zur modernen Ausstattung zählen der Wasseranschluss in jedem Behandlungsraum, der Glasfaseranschluss, das Rufsystem für die Wartezimmer sowie eine Klimaanlage. Die Klimaanlage sei wichtig, erklärt Juliane Drewes, da Arztpraxen einen Hitzeschutzplan vorlegen müssen. In Zeiten des Klimawandels sei es dringend erforderlich, Patienten und Personal ausreichend vor den Folgen großer Hitze zu schützen.
Die Ärztin will im Oktober mit zwei medizinischen Fachangestellten starten. Ab September werden sie vor Ort sein, die Praxis einrichten. Ab da können sich Patienten vor Ort anmelden. Fest im Blick hat Juliane Drewes auch die Zukunft nach dem Start. Die Facharztprüfung steht noch an, außerdem will sie Zusatzausbildungen zur Ernährungs- und Palliativmedizin absolvieren. Außerdem steht fest: „2029 wird ein zweiter Arzt dazukommen.“